Vorwort
Herzlich Willkommen bei der Lebendigen Schwertkunst!
Wir haben uns das Ziel gesetzt,
historische Kampfkünste aus dem europäischen und besonders dem
süddeutschen Raum zu rekonstruieren und zu schulen und so wieder zum
Leben zu erwecken.
Auch hier in Tübingen können wir auf eine lange Tradition des
Lehrens und Lernens zurückblicken. Zur Ausbildung im Collegium
Illustre gehörte auch die Schulung mit Waffen. Trainiert wurde der Umgang mit dem Degen, dem Rapier, sowie dem Dussack, der Stange, der Helmbarte und der
Fechtfeder. Vor allem die Fechtfeder war auch bei den Bürgern sehr
beliebt. Ursprünglich als Trainingswaffe für Adlige, als Ersatz für
das Langeschwert, wird die Feder schon im fünfzehnten Jahrhundert
zum Sportgerät des Bürgers. So wandelt sich schon sehr früh die
Schwertkunst zum bürgerlichen Sport, bis hin, in unserer Zeit, zum
modernen studentischen Fechten und dem Sportfechten.
Wir versuchen nun das alte Wissen um die Kunst des Schwertkampfes
wiederzuerlangen.
Unser Training setzt sich zusammen aus:
- Aufwärmtraining (nach modernen Methoden)
- Fallschule (Vorwärts- Rückwärtsrolle und seitliches Fallen)
- Schwertlauf (Grundstellungen, Stiche und Hiebe ohne Gegner)
- Spiegelfechten (Schwertkampf nach vorgegebenem Ablauf gegen
imaginäre Gegner)
- Ringen (Ring-, Hebel- und Wurftechniken des fünfzehnten
Jahrhunderts)
- Schwerttechnik (Hebel-, Wurf- und andere Waffentechniken)
- Freikampf (freier Kampf nach entsprechenden Regeln)
Derzeit wird der Umgang mit folgenden Waffen gelehrt:
- Langschwert (Schwert, das mit zwei Händen geführt wird)
- Anderthalbhänder (Schwert, das mit zwei Händen geführt werden
kann)
- Einhandschwert (Kurzschwert oder Spatha, mit oder ohne Schild)
- Langes Messer (Bauernwehr, eine einschneidige Waffe)
- Degen (Scheibendolch mit Drei- oder Vierkantklinge)
- Stangenwaffen (halbe Stange und Helmbarte, Luzernerhammer, Langspieß)
Trainiert wird in weißer, bequemer und stabiler Kleidung. Während
des Trainings verzichten wir meist auf Schutzkleidung (Helm, Handschuhe,
Arm- und Beinschienen usw.), da es sich als billiger und sicherer
herausgestellt hat. Daraus ergibt sich, dass jeder auf sich, seinen
Partner und die Mittrainierenden achten muss.
Der schon im Mittelalter übliche Fechtergruß, vor und nach jedem
Training soll uns daran erinnern, dass wir uns in Freundschaft
schlagen, jeder für den anderen mitverantwortlich ist und
jeglicher Ärger zu Hause zu bleiben hat.
Wen es jetzt in den Fingern juckt und wer jetzt Lust verspürt auch
den Umgang mit historischen Waffen zu erlernen, sei herzlich
eingeladen bei uns im Training reinzuschnuppern oder gleich mitzutrainieren.
Mitzubringen sind am Anfang nur gute Laune und Interesse an
etwas Neuem.
Bis vielleicht bald
Warum nennen wir das, was wir machen, Schwertkunst oder Kampfkunst?
Was verstehen wir eigentlich darunter?
"Kunst kommt von Können": Um etwas zu können, braucht es außer dem Wissen um das Wie, auch die Kunstfertigkeit sowie Harmonie, Eleganz und Inspiration.
Die Menschen bewundern seit jeher die Eleganz von jagenden Raubtieren, aber was macht diese Eleganz aus, was ist das?
Eleganz ist für mich ein Maß von effektivem, aber sparsamem Einsatz der Mittel. Ein Raubtier im Sprung verwendet nur so viel Energie, wie notwendig ist ins Ziel zu gelangen und für uns sieht es leicht und elegant aus, da der Jäger keine unnötige Kraft und Bewegungen vergeudet.
Für mich ist das ein Maß für gutes Fechten: Nur wer sich beim Fechten souverän und elegant bewegt, ficht kunstfertig.
Eleganz ist für mich ein Zeichen für das harmonische Zusammenspiel von Seele, Geist und Körper und ist somit ein gutes Ziel.
Nur wer es schafft, mutig, entschlossen, flexibel und mit klaren Geist regiert, dem freien Instinkt des Körpers trauend, sich auf das eine Ziel zu vereinigen, erreicht die Meisterschaft.
In der Kampfkunst gibt es die seltene Möglichkeit dieses harmonische Zusammenspiel der drei Ebenen zu erfahren und zu prüfen. Es ist ein sehr erhebendes Gefühl, wenn einem diese Einheit gerade im Kampf gelingt.
Es geht uns nicht um Gewalt oder das Zerstören von etwas oder gar von jemandem.
Wir fechten partnerschaftlich in Freundschaft und sportlichem Geist miteinander, um uns gemeinsam der Kunst zu nähern. Es geht nicht darum einen Gegner mit allen Mitteln und ganzem Risiko zu treffen. Viel schöner ist es, wenn man dem Partner zeigen kann, dass man ihn hätte treffen können, aber genug Souveränität besitzt den Angriff abzubrechen, dass man den anderen, wenn überhaupt, nur leicht berührt.
So lässt sich Bloßfechten als das begreifen, als was es gedacht war, nämlich als ein Fechten ohne Protektoren, um das Zusammenspiel von Seele, Geist und Körper zu trainieren und sie zu einer Einheit zu verschweißen: eine Kunst, wie sie uns mit ihrer Eleganz und Klarheit aus den Fechthandschriften des 14. und 15. Jh. entgegen strahlt und die wir wieder zu neuem Leben erwecken.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden Beamte im Fechten unterrichtet und nicht nur, um sie körperlich fit zu halten und um ihnen Kenntnisse in der Selbstverteidigung zu vermitteln, sondern es ging in erster Linie um positive Effekte im emotionalem und geistigen Bereich.
Fechten schult eine schnelle Entschlusskraft und zu diesen Entscheidungen zu stehen, aber auch Gemeinschaftssinn und Vertrauen. Nur mit Vertrauen ist es möglich in Freundschaft zu fechten und zu üben, da man ja durchaus seine Gesundheit und eventuell auch das Leben in die Hände seines Fechtpartners legt. Es gibt selten im Leben Momente, in denen man sich emotional so nahe kommt wie beim Kampf, und so können Freundschaften entstehen, die ein ganzes Leben halten.
Schwertfechten ist eine Kunst, die in der Bewegung uns selbst erkennen lässt, wer und was wir sind oder sein können, und die uns unsere wichtigste Heimat gibt, die Heimat in uns und in der Bewegung.
Wolfgang Abart